Marc Haug

Wir erkunden vom Pariser Platz aus das französische Viertel in Haidhausen.

Wir stehen mitten auf dem Pariser Platz. Er wurde 1872 benannt nach der französischen Hauptstadt. Betrachten wir die sternförmig verlaufenden Straßen, die diesen Platz mit anderen Plätzen dieses Viertels verbinden: Die Pariser Straße (kommend vom Bordeauplatz) und die Weißenburger Straße (die vom Orleansplatz zum Weissenburger-Platz und dann zum Rosenheimer Platz führt) kreuzen den Platz. Dazwischen treffen von Südosten die Gravelottestraße und von Nordwesten die Sedanstraße auf den Platz. Diese und weitere Straßen des Viertels erinnern an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Denn gerade in dieser Zeit entstand das neue Stadtviertel, das daher auch als "Franzosenviertel" bekannt ist. Architektonisch ist es das bedeutendste Beispiel des geometrischen Städtebaus der Gründerzeit in München. Aus der soziologischen Perspektive her, war das Viertel, abgesehen von einigen stattlichen Bauten eher einfacher und vom Sozialen Wohnungsbau geprägt.
Wenn wir die Sparkasse im Rücken haben, biegen wir nach links in die Pariser Straße ein. An der rechten Ecke befindet sich das Eiscafé Venezia, gegenüber ein Reisebüro.

Wenn wir nach links schauen, sehen wir den Eingang zur Postwiese. Dieses Areal zwischen Lothringer-, Pariser- und Orleansstraße war von Beginn an als Grünfläche geplant. In den 1930er Jahren wurde hier einer der ersten bewusst eingerichteten Spielplätze angelegt – mit großem Sandkasten, Rutschen und Plantschbecken. Als man Mitte der 80er Jahre die Anwohnertiefgarage unter den kompletten fast 10.000 Quadratmetern der Postwiese anlegte, bekam die Grünanlage ein neues Gesicht. Kleiner Rodelhügel, Klettergerüst, Skaterbahn etc. Der Kiosk mit Pergola lädt eigentlich zu Verweilen ein. Keine Ahnung warum, aber irgendwie hat man den Eindruck, dass das Geschäft nicht wirklich gut läuft.

In der Lothringer Straße 13 befand sich früher eine Maschinenfabrik. 1980 wurde hier unter dem Namen „Künstlerwerkstatt“ ein Zentrum für junge zeitgenössische Kunst gegründet. Heute wird die Halle vom Kulturreferat der Stadt betrieben. Es verfolgt das Konzept, jungen Künstler*innen ein Produktions- und Präsentationsumfeld bieten, um ihre Positionen im nationalen und internationalen Kunstbetrieb zu etablieren, sowie mit der Münchner Kunstszene und ihren zahlreichen Institutionen für zeitgenössische Kunst in Diskurs zu treten. Es lohnt sich auf jeden Fall immer wieder, hier reinzuschauen.

Hier sind wir am Weißenburger Platz - für viele der  schönste Platz Haidhausens, nicht zuletzt wegen des hübschen Brunnens in der Mitte und der üppigen Bepflanzung mit Blumen rundrum. Der sogenannte  „Glaspalastbrunnen“ wurde 1853 von August Voit entworfen. Sein Name rührt von der Tatsache, dass er sich ursprünglich im Glaspalast im Alten Botanischen Garten befand. Mit der Enstehung des Franzosenviertels wurde der Brunnen zunächst an den Orleansplatz umgezogen. Als der dort befindliche Ostbahnhof in den 70er Jahren umgebaut wurde, wurde er hierher versetzt.

Weissenburger Platz und der Glaspalastbrunnen

Seitdem Bordeaux 1968 zur Partnerstadt der Landeshaupstadt München wurde, trägt dieser zwischen beiden Straßenseiten der Wörthstraße liegende Platz den Namen Bordeauxplatz. Überraschend, dass niemand mit der Adresse "Bordeauxplatz" hier residiert. Das liegt daran, dass die Häuser an der Wörthstraße liegen und ihre Adresse beibehalten haben.

Für Kinder (und für Hunde) ist das im Sommer ein willkommener Wasserspielplatz, der ehemals als Wöthbrunnen benannte Brunnen. Er wurde 1929 gebaut. An den Ecken ist er mit Tierfiguren geschmückt, alle aus Muschelkalk, Steinbock, Eber, Rehbock und Widder. Die Steine in der Mitte um die Fontäne sind kein Muschelkalk sondern Tuffsteinbrocken.
So wie an den Ecken des Brunnens die Tiere stehen, so sind die Ecken des Bordeauxplatzes gastronomisch bestückt. Vorne, wo wie herkamen die Bio-Bäckerei Neulinger, gegenüber der italienische Feinkostimbiss und Vinoteca l'angolino, am hiesigen Ende zwei Wirtshäuser, auf der einen Seite der Haidhauser Augustiner. Gegenüber befindet sich das Restaurant "Il Cigno".

Der Orleansplatz ist quasi der Bahnhofsvorplatz vom Ostbahnhof. Angelegt wurde er um 1872. Er war geschmückt mir dem Glaspalastbrunnen, der jetzt auf dem Weißenburger Platz steht. Charakteristisch ist die halbkreisrunde Formation der Häuserzeilen mit den markanten Eckbauten, wie z.B. das Stadthotel Rosenheim. Dann fällt noch der längliche Brunnen an der Stirnseite zum Ostbahnhof auf. Wir dort hingehen und uns wieder umdrehen, bemerken wir die eigentliche Besonderheit des Platzes: Den Kaufring. Ein in die Jahre gekommenes Kaufhaus "für den täglichen und nicht alltäglichen Bedarf", mit seiner klaren Kaufhaus-Architektur der 60er Jahre. Was sich übrigens allein schon wegen der Aussicht lohnt, ist ein Besuch des Cafés im oberen Stockwerk. Da man vom Orleansplatz unterirdisch in den Bahnhof mit S- und U-Bahnanschluss geleitet wird, wird er gar nicht so viel überquert. 
Gelegentlich wird der wunderbar mit Kastanien bestückte Platz von Franchise-Märkten genutzt mit Namen wie Münchner Fischmarkt oder Bayernmarkt. Dann zieht hier eine ganz besondere Atmosphäre ein. Bierzelt-Musik und billiger Kommerz mag einfach nicht jeder... 
Über viele Jahre war geplant, für eine zweite Stammstrecke der S-Bahn an diesem Platz eine Riesenbaustelle einzurichten. Die Kastanien hätten gefällt werden müssen. Es hätte zig Jahre gedauert, bis sich dieser Platz wieder regeneriert hätte. Es gab jede Menge Protest der Anwohner*innen, eine Bürger*innen-Initative gegen den Tunnel und viele konstruktive Vorschläge, das Vorhaben abzuwenden. Ende 2019 entschied man sich zum Glück, die Bauarbeiten auf die andere Seite des Bahnhofs, die Werksviertel-Seite, zu verlegen.

Rund um den Pariser Platz

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